»Kott sünd nu de Dooch un de Nachten lang, Haart und Seel sünd öf schwoor un kolt.
Doch en helle Stirn, de so kloor un blank, wiest de Wech rut ut Angst un Noot!«
Das Gemüse ist im Ofen, der Tisch ist gedeckt, die Geschenke liegen unter dem Treibholzbaum. Im Hintergrund laufen amerikanische Weihnachtsklassiker abwechselnd mit Liedern aus bekannten dänischen Kalenderserien. Wir haben Nis Puk Reisgrütze hin- und unseren Wein kaltgestellt. Die Liederhefte mit dänischen, friesischen, deutschen, englischen Liedern und den ganz besonderen selbstgedichteten plattdeutschen Texten meines Vaters liegen bereit, die Nissehue sitzt. Bald werden wir um den Baum tanzen und zuletzt rennen, bis wir keine Luft mehr kriegen und auf den Boden purzeln. Ich scrolle durch meine Timeline und sehe lauter Grüße von freundlichen Menschen. Draußen liegt noch etwas Schnee, die Glocken läuten. Es ist so friedlich und freudig.
Doch der Schein trügt, denn auch in der Weihnachtszeit harren die Menschen ohne Hoffnung an den Außengrenzen der EU. Und selbst über die Feiertage versprühen rechte Kräfte Hass. So fordert die Vorsitzende der dänischen Volkspartei alle Jahre wieder, muslimische Familien vom Julehjælp, einem Unterstützungsangebot für Familien mit niedrigem Einkommen, auszuschließen. Und sie ist nicht die Einzige, die zündelt. Solche menschenfeindliche Rhetorik verbreitet sich leider auf beiden Seiten der Grenze. Daher dürfen wir uns nicht wundern, dass in Deutschland von 2015 bis 2019 mehr als 11.000 rassistische Übergriffe und Anschläge gegen Geflüchtete verzeichnet worden sind – davon 284 Brandanschläge und 1.981 Körperverletzungen. Im Jahr 2020 allein sind mehr als 1.600 Angriffe gegen Geflüchtete verzeichnet worden. Und solange wir keinen echten politischen Paradigmenwechsel im Umgang mit dem Thema Flucht erleben, wird die rassistische und ausgrenzende Haltung der europäischen Staaten auch im Alltag Nachahmung finden.
Seit Jahrtausende feiern Menschen in unseren Gefilden die Tage, an denen die Nächte kürzer werden als Zeichen der Hoffnung auf bessere Zeiten. Auch die Weihnachtsgeschichte ist die frohe Botschaft der Liebe, Hoffnung und Zuversicht. Sie ist gleichzeitig ein Bericht von Vertreibung, Verfolgung und Flucht. Das heutige Fest dient nicht dazu, die Augen vor dem Elend der Welt zu verschließen. Wir dürfen und müssen genau hinschauen. Und trotzdem Abende wie diese nutzen, um Kraft dafür zu schöpfen, weiter zu streiten für eine freundlichere, nachhaltigere und gerechtere Welt.
Egal, wer du bist und wie du die Feiertage verbringst, ich wünsche dir eine hoffnungsvolle Zeit!
Hoffnungsvolle Feiertage
Gedanken am 24. Dezember 2021.