Ein Engel aus Berlin

Erinnerung an Kurdistan.

Gestern kam ich in Berlin an einem Imbiss vor­bei und erin­nerte mich an mein Lieblingser­leb­nis auf mein­er Reise durch Irakisch-Kurdistan.

Gegen Ende der Reise waren wir wan­dern und soll­ten nach einem wun­der­schö­nen Tag und einem Bad im klaren Bergsee, eigentlich in Zel­ten in den Bergen über­nacht­en. Aber da ich mir meine Ver­dau­ung gründlich ver­dor­ben hat­te, wollte ich die Nacht unbe­d­ingt im Hotel nahe ein­er Toi­lette ver­brin­gen. Wir hat­ten deshalb einen Ort­san­säs­si­gen gefragt, ob er mich zur näch­st­gele­ge­nen Stadt fahren könne, von wo es dann mit einem Taxi weit­erge­hen könne.

Der Mann kam wie bestellt, unser Dol­metsch­er erk­lärte ihm den Plan und los gings buch­stäblich über Stock und Stein. Das Auto hop­ste bei lauter Musik die Berge hin­unter, bis wir in einem Dorf anka­men. Da hielt der Fahrer plöt­zlich vor einem Haus an und sig­nal­isierte mir ich möge bitte aussteigen. Ich war ziem­lich ver­wirrt, sah am Ein­gang zum Haus aber eine fre­undliche Frau und drei Mäd­chen ste­hen, stieg aus und ließ mich von der Frau ins Wohnz­im­mer, wo sie mich auf einem Sofa platzierte und mir Tee einschenkte.

Da saß ich nun umgeben von der Fam­i­lie, die mich fre­undlich anlächelte. Nie­mand von den fünf Per­so­n­en sprach Deutsch oder Englisch, ich nur wenige Brock­en Sorani und kein Wort Kur­manchi. Ich trank meinen Tee und guck­te die Leute fra­gend an und sagte wieder­holt den Namen des Ortes, zu dem ich eigentlich hätte gefahren wer­den sollte. Die Frau schüt­telte daraufhin ihren Kopf und sig­nal­isierte mir ernst und mit sehr deut­lichen Gesten, ich solle bei ihnen übernachten.

Da brach die Panik in mir aus. Die Vorstel­lung eine Nacht mit so heftigem Durch­fall bei völ­lig Unbekan­nten zu ver­brin­gen, schreck­te mich sehr. Auch schwante mir, dass sie mich ver­mut­lich Essen servieren wür­den. Wie sollte ich ihnen erk­lären, dass mir erstens übel und ich zweit­ens Veg­aner­in sei. Ich suchte verzweifelt nach Über­set­zungsmöglichkeit­en auf dem Smart­phone, fand aber keine kur­dis­che Option und kam mit Ara­bisch nicht weiter.

Während dessen tele­fonierte der Mann rum und reichte mir plöt­zlich sein Smart­phone, auf dem mir ein net­ter junger Mann anlächelte und in bre­it­em Berlin­er Dialekt fragte, was ich in den Bergen Süd­kur­dis­tans mache. Ich erk­lärte es ihm und er lachte laut­stark: »Urlaub in Kur­dis­tan. Tja, det tut mir leid, da komm­ste nich mehr weg!«

Er erk­lärte mir, sein Onkel habe ger­ade die kom­plette Fam­i­lie durchtele­foniert, um den Kon­takt zu ihm zu bekom­men. Seine Tante sei strikt dage­gen, mich allein durch die Naht zu schick­en und sähe es als ihre Pflicht mir Kost und Logi zu bieten, so dass ich tagsüber weit­er­reisen kön­nte. Ich erk­lärte ihm meine Not­lage und er erk­lärte seinen Ver­wandten die Lage, während er immer wieder davon unter­brochen wurde, Getränke und Speisen über den Tre­sen reichen zu müssen.

Er erschien mir wie ein Engel. Und dank sein­er Hil­fe saß ich dann wenige Minuten später wieder im Auto, kon­nte danach in ein Taxi umsteigen und lag einige Stun­den später endlich in meinem Hotel­bett. Sei­ther muss ich in Berlin immer an die süd­kur­dis­chen Berge denken.