Bewerbung um den dritten Listenplatz

Meine Rede vom 9. Mai.

Liebe Genossin­nen und Genossen,

ich bewerbe mich für den drit­ten Lis­ten­platz der Lan­desliste, weil ich opti­mistisch bin. Ich glaube daran, dass gesellschaftlich­er Wan­del mach­bar ist und ich weiß, dass es dafür eine starke Linke braucht.

Ich bewerbe mich auch, weil ich real­is­tisch bin. Denn ich weiß, dass es nicht so weit­er geht wie bish­er: Pan­demien, Kli­mawan­del, Ungle­ich­heit und Exis­ten­zangst sind nur einige der drama­tis­chen Fol­gen unser­er prof­i­to­ri­en­tierten Lebensweise. Wir müssen jet­zt umsteuern.

Und genau das ist vie­len Men­schen bewusst. Über­all engagieren sich Grup­pen für eine bessere Zukun­ft: Sozialver­bände, Gew­erkschaften, Umwel­tini­tia­tiv­en, sol­i­darische Net­zw­erke, fem­i­nis­tis­che und anti­ras­sis­tis­che Bewe­gun­gen fordern seit Jahren einen gesellschaftlichen Kur­swech­sel ein. Ich möchte diesen Forderun­gen auf par­la­men­tarisch­er Ebene Nach­druck verleihen.

Denn es ist nicht ver­rückt, ein paar Bäume schützen zu wollen, es ist der helle Wahnsinn, es nicht zu tun. Es ist nicht naiv, legale Fluchtwege zu fordern. Es ist völ­lig lebens­fremd zu glauben, man könne sich vom Elend der Welt abschotten.

Es ist nicht ungerecht, dass Super­re­iche angemessene Steuern zahlen müssen. Es ist unglaublich unfair, dass aus­gerech­net diejeni­gen, die unseren All­t­ag am Leben hal­ten und lebenswert machen, an den Rand der Erschöp­fung oder um ihre finanzielle Exis­tenz gebracht werden.

Es ist bizarr, dass es legal ist, Essen zu ver­nicht­en, während das Ret­ten entsorgter Lebens­mit­tel bestraft wird. Und es ist völ­lig irre, dass die Arbei­t­en­den weit­er an Fließbän­dern ste­hen, der­weil Pri­vatkon­tak­te aus Infek­tion­ss­chutz­grün­den unter­sagt sind.

Es ist kurzsichtig, an der Schulden­bremse festzuhal­ten, statt in die Zukun­ft zu investieren. Und es ist völ­lig illu­sorisch zu glauben, dass wir weit­er auf end­los­es Wirtschaftswach­s­tum set­zen kön­nen, obwohl die Welt genau davon untergeht.

Liebe Genossin­nen und Genossen,

ich glaube daran, dass wir an einem Schei­deweg ste­hen. Denn spätestens in der Pan­demie ist auch ein­er bre­it­en Öffentlichkeit bewusst gewor­den, dass ein Auf­bruch über­leben­snotwendig ist.

Die aktuelle Sit­u­a­tion zeigt uns in aller Deut­lichkeit, dass wed­er unsere Wirtschaft, unser Gesund­heitswe­sen noch unsere sozialen Sicherungssys­teme krisen­fest sind. Und recht­spop­ulis­tis­che Kräfte nutzen diese Lage als Ein­flugschneise, in dem sie schein­bar ein­fache Erk­lärungsmuster und Lösun­gen für die Krisen der Zeit anbieten.

Noch gestern haben wir den Tag der Befreiung vom deutschen Faschis­mus gefeiert. Doch lei­der gehört men­schen­ver­ach­t­en­des Denken keines­falls der Ver­gan­gen­heit an. Das sehen wir nicht nur an den Mor­den in Hanau und Halle. Mit dem Einzug recht­sex­tremer Abge­ord­nete in die Par­la­mente drän­gen men­schen­feindliche Ansicht­en seit Jahren in die Mitte der Gesellschaft.

Recht­es Gedankengut ist nicht nur ein Rand­phänomen, son­dern struk­turell ver­ankert. Das merken wir spätestens da, wo antifaschis­tis­che Arbeit krim­i­nal­isiert, während Ras­sis­mus bei den Sicher­heits­be­hör­den gedeck­elt wird. Dage­gen müssen wir damals wie heute laut­stark und entsch­ieden kämpfen: Nie wieder Faschismus!

Liebe Genossin­nen und Genossen,

Nation­al­is­mus und kolo­niales Denken stellen die Grund­lage eines glob­alen Aus­beu­tungssys­tems dar, in dem nur wenige gewin­nen. Und Coro­na hat die Welt nicht gle­ich­er gemacht, im Gegen­teil. Die Pan­demie ist ein Brandbeschle­u­niger für Ungle­ich­heit. Und die Armut wird nicht nur glob­al, son­dern auch direkt vor unseren Augen größer.

Deshalb müssen wir alles dafür tun, dass der Weg aus der Krise uns nicht zurück zum ange­blichen Nor­malzu­s­tand führt, son­dern in eine gerechtere Zukun­ft mit ein­er bedarf­s­gerecht­en Daseinsvor­sorge, besseren Arbeits­be­din­gun­gen und sank­tions­freien sozialen Sicherungssystemen.

Gerechtigkeit kann dabei nur fem­i­nis­tisch, inklu­siv und min­der­heit­ensen­si­bel erstrit­ten wer­den, dazu gehört auch eine selb­stkri­tis­che Auseinan­der­set­zung mit Ras­sis­mus und mit unser­er Rolle als Einwanderungsland.

Wir haben Platz und brauchen geord­nete Fluchtwege, faire Asylver­fahren, unbürokratis­che Ein­wan­derungsmöglichkeit­en und effek­tive Bleiberecht­sregelun­gen für ein sicheres Zusam­men­leben. Und wir brauchen einen vorurteils­freien Dia­log dazu, wie gutes demokratis­ches Miteinan­der funk­tion­ieren kann.

Wenn wir die Mil­liar­den, die wir in Waf­fen oder die Bewachung unser­er Gren­zen pumpen, stattdessen in die Entwick­lung von Mod­ellen für bessere Begegnungs‑, Bil­dungs- und Arbeits­mark­tzugänge steck­en wür­den, sähe das Zusam­men­leben anders aus und würde auch nach­haltiger in die Herkun­ft­slän­der wirken. Wir wür­den damit mehr für die Bekämp­fung von Fluchtur­sachen tun, als Entwick­lung­shil­fe­pro­jek­te es jemals leis­ten können.

Liebe Genossin­nen und Genossen,

ich bin davon überzeugt, dass kluge Maß­nah­men unsere Leben­squal­ität nicht min­dern, son­dern deut­lich steigern wer­den. Das gute Leben für alle ist möglich. Denn das Geld dafür ist da. Es muss nur etwas anders verteilt werden.

Ger­ade im ländlichen Raum spüren wir jeden Tag, dass durch­greifende Verän­derun­gen nicht nur eine Möglichkeit, son­dern eine Notwendigkeit sind. Wir haben es satt! Soziale, bio­di­verse und ökol­o­gis­che Land­wirtschaft muss sich lohnen und nach­haltiges, gesun­des Leben für alle bezahlbar wer­den. Auch müssen wir die Daseinsvor­sorge endlich in die Ver­ant­wor­tung der Kom­munen zurückholen.

Liebe Genossin­nen und Genossen,

ich glaube daran, dass wir mit unseren Forderun­gen vie­len Men­schen aus den Herzen sprechen. Aber es gelingt uns defin­i­tiv noch nicht, sie alle für unsere Partei zu begeis­tern. Ich kan­di­diere, um genau daran etwas zu ändern.

Als Mit­glied der dänisch-friesis­chen Min­der­heit ist kul­turelle Vielfalt ein selb­stver­ständlich­er Teil meines Lebens. Ich betra­chte meine eige­nen Priv­i­legien als Verpflich­tung, mich für eine sol­i­darische und offene Gesellschaft einzuset­zen. Ich habe maßge­blich die Diskus­sion angestoßen, die in der dänis­chen Min­der­heit zu einem radikalen Par­a­dig­men­wech­sel geführt hat: von einem nation­al-dänis­chen zu einem inklu­siv-mehrkul­turellen Selb­stver­ständ­nis. Par­al­lel dazu habe ich viele andere poli­tis­che Kam­pag­nen in Flens­burg fed­er­führend mitgestaltet.

Lebensverän­dernd ist für mich die Zeit ab Som­mer 2015 gewe­sen, wo ich Teil eines ein­ma­li­gen Sol­i­dar­ität­spro­jekt gewe­sen bin für die vie­len Men­schen, die damals durch unseren Bahn­hof in Flens­burg geflüchtet sind. In diesen 5 Monat­en sind mehr als 60.000 Men­schen durch unsere Stadt gekom­men, und wir sind haut­nah mit dem unfass­baren Leid der Flüch­t­en­den kon­fron­tiert gewe­sen. Gle­ichzeit­ig haben wir als Aktive im Pro­jekt einen Ein­blick darin bekom­men, dass es echte Alter­na­tiv­en zum ego­is­tis­chen Streben nach Prof­it gibt.

Beson­ders ist dabei gewe­sen, dass es uns in unser­er sehr bre­it aufgestell­ten Gruppe gelun­gen ist, trotz großer sozialer und kul­tureller Unter­schiede, gemein­same gesellschaftliche Visio­nen und poli­tis­che Forderun­gen zu entwickeln.

Aus dieser Zeit weiß ich, dass der Wun­sch nach gesellschaftlich­er Verän­derung kein Nis­chenan­liegen ist und dass es möglich ist, Men­schen unteil­bar für ein sol­i­darisches Miteinan­der zu begeistern.

Liebe Genossin­nen und Genossen,

ich glaube daran, dass es möglich ist, aus gesellschaftlichen Kon­flik­ten zu ler­nen. Als Krim­i­nolo­gin möchte ich dazu beitra­gen, den Weg von ein­er strafend­en zu ein­er ler­nen­den Gesellschaft zu gehen. Wir müssen schlichte Vergel­tungslogik durch Verän­derungswillen erset­zen. Denn nur so kön­nen wir nach­haltig ein gelin­gen­des Zusam­men­leben gestal­ten und mehr Demokratie installieren.

Ich habe als Straßen­sozialar­bei­t­erin gear­beit­et und in ein­er Bren­npunk­tschule, ich kenne den Beruf­sall­t­ag im Frauen­haus und die Real­ität geflüchteter Men­schen. Ich weiß daher, dass Sicher­heit auch immer eine Frage von sozialer Sicher­heit ist. Wie müssen Fra­gen öffentlich­er Sicher­heit unmissver­ständlich von men­schen­feindlich­er Pro­pa­gan­da und dem Ruf nach Überwachung und Strafe abgrenzen.

Ich stelle mich entsch­ieden gegen die Ein­schränkung von Grun­drecht­en. Wir brauchen eine Aus­bil­dungsre­form statt ein­er Aufrüs­tung der Polizei. Und selb­stver­ständlich ist die Abschaf­fung des Ver­fas­sungss­chutzes und die Instal­la­tion ein­er unab­hängi­gen Beobach­tungsstelle zum Schutz der Men­schen­würde längst überfällig.

Liebe Genossin­nen und Genossen,

unsere ländlichen Räume lei­den unter mas­siv­er Ver­schlechterung der Leben­squal­ität. Wir brauchen sofor­tige Infra­struk­turverän­derun­gen, um zu ver­hin­dern, dass die Flächen­re­gio­nen nur noch zu hochspezial­isierten, konkur­ren­zgeprägten Pro­duk­tion­sorten verkommen.

Im Moment hält nur die indus­triemäßige Land­wirtschaft dem Preis­druck durch existierende Frei­han­delsabkom­men statt. Und die Mark­tüber­ma­cht des Lebens­mit­teleinzel­han­dels set­zt auch die ökol­o­gis­che Land­wirtschaft unter einen mas­siv­en Preis­druck, der sich auf Pro­duk­tions- und Arbeits­be­din­gun­gen auswirkt. Denn auch in der Land­wirtschaft gilt, dass ein grün­er Anstrich nicht alle Prob­leme löst.

Ich möchte meine lokale Ver­ankerung nutzen, um diese Prob­leme zu adressieren und Lösun­gen mitzuen­twick­eln, die nicht nur nach­haltig sind, son­dern auch sozial gerecht. Statt der Land­wirtschaft die Schuld in die Schuhe zu schieben, will ich ins Gespräch darüber kom­men, welche Bedin­gun­gen für einen Umbau erfüllt sein müssen.

Meine Ken­nt­nisse aller Region­al­sprachen und auch meine gren­züber­schre­i­t­en­den Kon­tak­te zu Däne­mark sehe ich in allen genan­nten Feldern als einen großen Vorteil. Denn die meis­ten Her­aus­forderun­gen enden nicht an der Grenze!

Ich möchte der Gren­zre­gion auf unser­er Lan­desliste eine starke Stimme sein und zusam­men mit euch mit rebel­lis­chem Real­is­mus und radikalem Opti­mis­mus für eine bessere und gerechtere Welt streiten!

Dafür hoffe ich auf eure Unter­stützung! Vie­len Dank!