»Sie sind aber kein K*****, Frau Hoop!« So lautete die spontane Reaktion eines Schülers in Hamburg, als ich in einem Gespräch meine eigene Mehrkulturalität ins Spiel brachte. Ich bin ihm noch immer sehr dankbar darüber, wie sehr er mir damit die Augen öffnete. Mein Dänischsein galt in Hamburg als schick. Noch nie war ich aufgrund der Herkunft meiner Familie mit Vorurteilen konfrontiert gewesen. Niemals hatte meine Hautfarbe dazu geführt, dass ein Kaufhausdetektiv etwas genauer hinsah. Aufmüpfiges Teenageverhalten war bei mir nie als Ausdruck meiner Kultur gedeutet worden. Und mein Name war auch noch nie ein Ausschlussgrund für ein Vorstellungsgespräch gewesen.
50% der Jugendlichen an der Schule, an der ich damals arbeitete, hatten einen sogenannten Migrationshintergrund. Mit ihnen lernte ich, dass es egal ist, ob sich die Grenze um den Wohnort der Familie verschiebt oder die Familie ihren Wohnort über eine Grenze hinweg verlegt: Du wirst transkulturell und hast zwei oder mehr Kulturen, Sprachen und Welten, in denen du dich Zuhause fühlt. Genauso wie ich mich in Hamburg dänisch und in Kopenhagen deutsch fühle, beschrieben sie mir, wie sie im Urlaub bei Oma als Deutsche und zu Hause in Hamburg als Türken betrachtet wurden. Wir hatten viel gemeinsam, aber ich war nicht von Rassismus betroffen.
Und der Rassismus war allgegenwärtig – auch im Schulalltag: Wenn etwas gestohlen wurde und als erstes diejenigen verdächtigt wurden, die als fremd gelesen wurden. Oder wenn störendes Verhalten bei einem Jungen Verdacht auf ADHS auslöste und bei einem anderen Achselzucken: »So sind sie ja, die türkischen Prinzen.« Besonders peinlich berührt war ich, als eine wohlmeinende Kollegin bei einem Elterngespräch einen Vater dazu aufforderte, die mögliche Schullaufbahn des Kindes auch mit der Mutter zu besprechen und der Vater völlig perplex in breitem Hamburgisch antwortete, das sei für ihn selbstverständlich.
Ich weiß nicht, wie Rassismus sich anfühlt. Mir werden nie allein aufgrund meines Phänotyps bestimmte Haltungen oder Eigenschaften unterstellt. Ich werde sehr selten danach gefragt, wo ich herkomme. Und wenn ich über meine kulturelle Sozialisation spreche, begegnet mir weder Mitleid noch Angst, sondern Begeisterung. Mich hat auch noch nie jemand dazu aufgefordert, ich könne doch einfach nach Dänemark ziehen. Und ich kann mich überall in meiner Muttersprache unterhalten, ohne dass mir jemals jemand signalisiert, ich solle doch gefälligst mal Deutsch lernen. Ich komme in jede Disco rein und bin nicht überproportional häufig von Polizeikontrollen betroffen. Und wenn ich in ein anderes Land auswandere, wird mir keine Wirtschaftsflucht unterstellt.
Aber ich kann Aufstehen gegen Rassismus, überall wo er sich zeigt: Bei anderen und vor allen Dingen bei mir selbst. Ich kann Rassismus benennen, egal in welchem Gewand er zutage tritt: Als gut gemeinte Zuschreibung oder als Hassverbrechen. Und ich kann mein Bestes dafür tun, diejenigen aufzuhalten, die mit der Verbreitung von rassistischem und reaktionärem Gedankengut den Nährboden für Gewalt bereiten: Denn Rassismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen!