Akzeptanz statt Toleranz

IDAHOBIT - International Day Against Homophobia, Biphobia, Interphobia and Transphobia

Heute ist IDAHOBIT (Inter­na­tion­al Day Against Homo­pho­bia, Bipho­bia, Inter­pho­bia and Trans­pho­bia) – ein guter Anlass, das eigene Denken kri­tisch zu überprüfen.

Es ist so ein­fach, für Vielfalt zu demon­stri­eren und Diskri­m­inierung bei anderen zu verurteilen. Viel schw­er­er ist es, sich der eige­nen verengten Sicht zu stellen. Vie­len Men­schen fällt es schw­er auszuhal­ten, ein­er Per­son auch nur gegenüber zu sitzen, die nicht in das binäre Man­n/Frau-Schema passt. Und aus diesem Gefühl speist sich sich­er auch die völ­lig sin­nentleerte Frage am Kinder­wa­gen, die mir auch schon oft raus­gerutscht ist: »Was ist es denn? Ein Mäd­chen oder ein Junge?«

Tat­säch­lich zeigen Stu­di­en immer wieder, dass Men­schen sich sog­ar schon Säuglin­gen gegenüber unter­schiedlich ver­hal­ten, je nach­dem, welch­es Geschlecht sie in das Kind hinein­le­sen. Die star­ren Vorstel­lun­gen von Gen­der und Sex­u­al­ität und die oft­mals tox­is­chen Erwartun­gen dazu, wie ein »richtiger« Mann und eine »richtige« Frau zu sein haben, durch­drin­gen unseren All­t­ag und führen ins­ge­samt zu viel Leid. Beson­ders mas­siv lei­den darunter queere Menschen.

Ver­fol­gung auf­grund von geschlechtlich­er Iden­tität oder Ori­en­tierung ist ein häu­figer Flucht­grund. Die Diskri­m­inierung endet dabei lei­der nicht mit der Ankun­ft in Deutsch­land, son­dern wird durch ähn­liche Vorurteile in der deutschen Umge­bung poten­ziert und zusät­zlich durch All­t­agsras­sis­mus auf­grund der Herkun­ft oder (zugeschriebe­nen) Reli­gion ver­stärkt. Dazu kommt die struk­turelle Benachteili­gung von queeren Men­schen im Asyl­recht und der deutschen Gesellschaft insgesamt.

Fehlende Offen­heit für die Vielfalt men­schlichen Seins ist lei­der auch in sich links veror­tenden Kreisen ver­bre­it­et. Es macht mich sprach­los, wenn die Fem­i­nistin­nen, die viele der Rechte erkämpft haben, von denen ich prof­i­tiere, heute aus­gerech­net gegen Transper­so­n­en het­zen, die über­fäl­lige Reform des ver­fas­sungswidri­gen Trans­sex­uel­lenge­set­zes block­ieren und Mythen von tran­si­d­en­ter Gewalt gegen Frauen ver­bre­it­en. Dabei hat sind ger­ade transgender/intersexuellen über­pro­por­tion­al von Gewalt betroffen.

Es macht mich trau­rig, wenn benachteiligte Grup­pen aus »skur­rile Min­der­heit­en« dif­famiert und im Namen link­er Poli­tik gegeneinan­der aus­ge­spielt wer­den. Die Idee von klar von ein­er »Mehrheit« abge­gren­zten Min­der­heit­en erscheint mir zwar nicht zwangsläu­fig als ein Beitrag zu ein­er Gesellschaft der Vie­len. Doch wenn Men­schen auf­grund bes­timmter (zugeschrieben­er) Eigen­schaften kollek­tiv benachteiligt wer­den, sind Min­der­heit­skon­struk­tio­nen notwendi­ge Über­gangslö­sun­gen im Kampf um Vielfalt, Gle­ich­berech­ti­gung und Teilhabe.

Aber zurück zur Eigenkri­tik. Ich kenne den inneren Wider­stand, wenn mir jün­gere Men­schen erk­lären, dass meine Sprache lei­der gar nicht inklu­siv und diese oder jene For­mulierung man­gel­haft ist. Schließlich bemühe ich mich schon mein Leben lang um gen­der­sen­si­ble Sprache. Aber wenn wir diese Welt zu einem besseren Ort für alle machen möcht­en, kön­nen wir nie »aus­re­flek­tiert« sein und müssen allen Impulsen für Verbesserun­gen mit Neugi­er und Offen­heit begeg­nen und sie mit unseren poli­tis­chen Zie­len abgleichen.

Tol­er­anz ist dabei nur ein erster Schritt zu einem besseren Miteinan­der. Sicher­lich ist es gut, wenn wir einan­der in unser­er Unter­schiedlichkeit ertra­gen und aushal­ten. Das Ziel muss aber eine echte Akzep­tanz sein, wo wir es gutheißen und als Bere­icherung sehen, dass wir unter­schiedlich fühlen, leben und lieben.