Letzte Woche war ich bei der Regionalkonferenz der Welterbe-Region Haithabu und Danewerk. Sie fand ganz coronakonform in der Kirche in Haddeby statt. Und obwohl mich die Vorstellung, fast fünf Stunden durchgängig auf Kirchenbänken zu sitzen, im Vorfeld etwas geschreckt hat, habe ich die Teilnahme nicht bereut. Es ist unglaublich spannend zu sehen, wie viele unterschiedliche Akteur*innen zusammenfinden, um die Erhaltung und Nutzung des UNESCO-Welterbes zu fördern und dabei Aspekte des Denkmalschutzes mit Naturschutz und Erlebbarkeit zu verbinden.
Wie kann ein Pfad so gestaltet werden, dass er barrierefrei ist und dennoch denkmal- und naturschutzgerecht ist? Wie wird das Welterlebe nicht nur touristisch, sondern auch für die Lokalbevölkerung attraktiv?
Ich habe großen Respekt vor dem großen lokalen Engagement und der Koordination der Vorhaben. Aus meiner Sicht sind solche Erinnerungs- und Erfahrungsorte von sehr großer Bedeutung. Ich freue mich insbesondere, dass daran gearbeitet wird, dass das Welterbe allen zugänglich gemacht werden soll. Haithabu und Danewerk spielen gerade für die dänische Minderheit in der Region eine große historische Rolle. Aber an dem, was sich hier im Kulturkanal zwischen dem skandinavischen und deutschsprachigen Raum und zwischen zwei Meeren abgespielt hat, lässt sich auch viel gesamteuropäische Geschichte ablesen.
Unsere Region ist immer ein Ort der Migration gewesen. Es hat mich schon als Kind fasziniert, dass sich in Haithabu Menschen aus aller Welt begegnet sind. Und die Erzählungen darüber, dass Leute aus Angeln nach England gegangen sind, sind immer mein Highlight im Englischunterricht gewesen. Gleichzeitig haben hier auch viele Grenzziehungen stattgefunden und Versuche, Menschen, die sich im Alltag zwischen viele Sprachen und Kulturen hin- und herbewegt haben, eindeutigen nationalen Kategorien zuzuweisen. Ich habe die Vorstellung von einer eindeutigen kulturellen Bekenntnis manchmal damit verglichen ein Kind getrennter Eltern danach zu fragen, welches Elternteil es lieber hat.
Beide meine Eltern haben unter anderem friesische Wurzeln, aber meine Mutter ist zu Hause mit Plattdeutsch und Deutsch aufgewachsen, mein Vater überwiegend mit Sønderjysk und Plattdeutsch. Kennengelernt haben sie sich jedoch auf Dänisch, das damit die Sprache meiner Kindheit geworden ist. Sprache, Kultur, Geschichte und Geschichten haben bei uns zu Hause viel Raum eingenommen. Ich betrachte dieses Erbe als ein großes Geschenk. Denn es hat mir früh den Blick dafür geöffnet, dass etwas nicht falsch ist, nur weil es anders ist.
Manchmal bewegen Menschen sich über sprachliche und kulturelle Grenzen hinweg, manchmal verschieben Landesgrenzen sich im Verhältnis zur Bevölkerung. Für die Menschen bedeutet es in den meisten Fällen, dass sie mehr oder weniger mehrkulturell oder transkulturell werden. Die Geschichte meiner Region hat mir einen großen Raum geschenkt, in dem ich mich sprachlich zu Hause fühle. Und ich profitiere sehr davon, dass ich unterschiedliche kulturelle Perspektiven auf Phänomene einnehmen kann.
Mit allen diesen Gedanken im Kopf, bin ich von der Regionalkonferenz auf den Friedhof in Haddeby gegangen und habe das Grab meiner Großeltern besucht, in dem auch mein Onkel liegt. Meine Oma ist Schneidermeisterin gewesen. In bunten, selbstgenähten Kleidern hat sie mir völlig überzuckerten selbstgemachten, roten Saft eingeschenkt und die Schale mit Lakritze vor meine Nase gestellt. Die habe ich dann weggemümmelt, während ich die Mischung aus rotem Samtsofa, oranger Lavalampe und den Skulpturen aus der Hand meines Onkels auf mich habe wirken lassen. Dabei habe ich die Ohren gespitzt, um die spannenden Geschichten aus dem Dorf zu verstehen, die meine Oma auf Sønderjysk und mit großem Erzähltalent zum Besten gegeben hat.
Einige davon sind mir durch den Kopf gegangen im strömenden Regen am Grab einige Kilometer vom Haus meiner Oma entfernt. Wenn die Welt so lange überlebt, kann ich sie vielleicht mal meinen Enkeln erzählen.