Vor dem Giftgsangriff auf Halabdja bombardiert das irakische Regime die Berge in der Umgebung, um die Bevölkerung auf ihrer Suche nach Schutz in das Stadtzentrum zu treiben. Als das Giftgas am 16. März 1988 über die Stadt abgeworfen wird, sterben viele Tausende Menschen, während genau so viele physische und psychische Schäden erleiden. Zahlreiche Familien werden komplett ausgelöscht, in anderen überleben nur einzelne.
Der Besuch im Halabdja-Monument bleibt mir in Erinnerung: Unser sympathischer Guide bringt uns den Schrecken hinter den großen Zahlen anhand einzelner persönlicher Schicksale und dokumentarischer Fotos greifbar näher:
Eine Familie versucht mit einem Kleintransporter zu fliehen, doch die meisten Familienmitglieder sterben, bevor der Wagen losfahren kann. »Nur zwei Kinder überleben und harren vor Angst zwei Tage neben den Leichen im Transporter aus, bevor sie von iranischen Soldaten und Reportern gerettet werden,« erzählt er uns, zeigt uns die Fotografie des Wagens mit den Leichen und dann auf einen Mitarbeiter des Museums hinten im Raum: »Das ist einer dieser beiden Überlebenden.«
Eine Frau verliert an dem Tag ihren Ehemann und alle ihre Kinder, darunter ein 3 Monate altes Baby. Sie ist selber schwer verletzt, sich jedoch sicher, dass das Baby lebt, weil ihre Milch lange nicht versiegt und sie dies als ein Zeichen deutet. Es gelingt ihr nach ihrer Genesung aber trotz aller Bemühungen nicht, das Baby zu finden. Die Zuständigen gehen davon aus, dass es unidentifiziert im Massengrab verscharrt worden ist und errichteten ihm einen Grabstein. Der Guide zeigt uns ein Foto eines jungen Mann an einem Grab.
Hunderte allein aufgefundene Kinder sind aber dadurch gerettet worden, dass sie im Iran ärztlich versorgt und in Adoptionsfamilie untergebracht worden sind. »Als meine Adoptivmutter im Iran 2009 gestorben ist, habe ich mich auf die Suche begeben. Mit Hilfe eines DNA-Tests sind alle überlebenden Eltern vermisster Kinder getestet worden. So habe ich meine leibliche Mutter mit 21 Jahren in die Arme schließen können,« sagt der Guide plötzlich und zeigt mit feuchten Augen noch mal auf das Foto — wir erkennen die Ähnlichkeit.
Deutsche Firmen wie Karl Kolb KG, Pilot Plant und W.E.T. haben in den achtziger Jahre übrigens Ausgangsprodukte, Anlagen und Zubehör in den Irak geliefert, mit denen chemische Kampfstoffe produziert werden konnten. Die Firmen haben später behauptet später, es habe sich lediglich um Unkrautvernichtungsmittel gehandelt.