Als Kind durfte ich normalweise tagsüber nicht fernsehen. Aber als ich mal etwas länger krank war, erlaubte meine Mutter es mir außer der Reihe. Es lief morgens zwar nur Schulfernsehen, ich konnte es dennoch kaum erwarten, dass meine Mutter endlich zur Arbeit ging, damit ich loslegen konnte. Doch als ich den Fernseher anschaltete, landete ich im Themenprogramm Holocaust. Den ganzen Vormittag hindurch liefen nicht nur die Originalfilme von der Befreiung, auch sämtliche Originalaufzeichnungen der Nazis wurden gezeigt, darunter viele Dokumentationen grausamster Experimente an Menschen. Ich saß in einer Schockstarre allein im Bett und starrte auf die Bilder, die sich für immer in mein Gedächtnis einbrannten. Es wurde zu dem Tag, an dem sich meine Sicht auf die Welt radikal veränderte.
Ich kann nicht empfehlen, Kindern diese Bilder in einem so jungem Alter zu zeigen und schon gar nicht, während sie allein sind. Aber ich glaube daran, dass eine Konfrontation mit diesem unfassbaren Grauen weiterhin dringend notwendig ist. Denn das Denken, dass den Verbrechen zugrunde liegt, ist keinesfalls verschwunden, sondern tief in unserer Gesellschaft verankert. Wir erleben in diesen Tagen, dass Antisemitismus, Antiziganismus, Rassismus und Nationalismus keinesfalls der Vergangenheit angehören: »Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch!«
Heute vor 76 Jahren befreite die Rote Armee das Konzentrationslager Auschwitz. Kein anderer Ort steht so sehr für den deutschen Massenmord an Millionen Jüd*innen, Sinti und Roma und anderen Verfolgten. Der heutige Tag ist dem Gedenken der Opfer des Holocaust gewidmet. Er soll uns aber auch an unsere Verantwortung für die Zukunft erinnern. Ein Blick 100 Jahre zurück in die Geschichte zeigt unheimliche Parallelen auf. Aber wir haben es in der Hand und können zusammen sicherstellen, dass sich Geschichte nicht wiederholt.
#WeRemember
Der heutige Tag ist dem Gedenken der Opfer des Holocaust gewidmet. Er soll uns aber auch an unsere Verantwortung für die Zukunft erinnern.